Bewegender Grund: In Heiligenstadt in der Villa Lampe treffen sich Jugendliche aus Deutschland und Polen
Nachdem eine Gruppe junger Eichsfelder im vergangenen Jahr Polen besuchte, kamen nun polnische Jugendliche nach Heiligenstadt. Der Grund für die Jugendbegegnung liegt in der traumatischen Vergangenheit beider Länder. Eine bewegende Woche lang widmeten sich jetzt 35 Jugendliche aus dem Landkreis Eichsfeld und aus Chelmek in Polen einem einzigartigen Erinnerungsprojekt, das unter dem Zeichen des Holocaust und der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus stand. „Vom 27. September bis zum 4. Oktober trafen sich die jungen Menschen im Rahmen eines deutsch-polnischen Jugendaustausches in der Villa Lampe, um sich mit der Geschichte von Lily Jakob, einer Überlebenden von Auschwitz und dem Auschwitz-Album auseinanderzusetzen“, erzählt Markus Rilli von der Villa Lampe.
Bereits im vergangenen Jahr führte das gemeinsame Projekt Eichsfelder Jugendliche nach Polen, wo sie die Gedenkstätte Auschwitz besuchten. „In diesem Jahr fand das Treffen in Heiligenstadt statt und bot erneut intensive und berührende Momente“, sagt Markus Rilli, der die jungen Leute während ihres Treffens begleitete und betreute.
Historische Stätten, Gedanken und ein eigener Song
Ein zentraler Teil der Woche im Eichsfeld war der Besuch historischer Stätten in der weiteren Region. Die Gruppe besuchte zum Beispiel die Gedenkstätte Mittelbau-Dora und den Ehrenfriedhof in Nordhausen, wo sie den Opfern des Nationalsozialismus gedachten. In Heiligenstadt suchten sie Stolpersteine auf, die an die Schicksale von Menschen erinnern, die während der NS-Zeit deportiert und ermordet wurden. „An den Gedenksteinen legten die Jugendlichen Blumen nieder und hielten inne, um ihre Gedanken den Opfern zu widmen“, schildert Markus einen der bewegenden Augenblicke während des Treffens. „Diese Momente des Innehaltens ließen die Gruppe tief über die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart nachdenken.“
Doch die Auseinandersetzung mit der Geschichte geschah nicht nur durch Besuche und Gespräche. „Kreativität spielte eine zentrale Rolle, um das Erlebte zu verarbeiten und neue Ausdrucksformen zu finden.“ Die Jugendlichen gestalteten Leinwände, fertigten Schlüsselanhänger an und entwickelten eine Bilderausstellung, die als Mahnung und Erinnerung dienen soll. Diese Ausstellung wird bald in der Villa Lampe zu sehen sein, kündigt Markus Rilli an.
Ein Projekt während der besonderen Woche lang den jungen Eichsfeldern und Polen besonders am Herzen. Sie gestalteten Gedenksteine: „Die polnischen Jugendlichen planen, diese an der Gedenkstätte Auschwitz niederzulegen, während die Eichsfelder ihre Steine in Mittelbau-Dora platzieren werden – als Symbol der bleibenden Verbindung zwischen den beiden Ländern und als Zeichen des gemeinsamen Erinnerns“, erklärt Rilli.
Nicht nur gestalterisch waren jungen Leute aktiv, sondern auch musikalisch kreativ, um ihre Gedanken und Emotionen zu teilen. „Ein besonders berührender Moment war die Entstehung eines eigens verfassten und vertonten Songs, in dem die Jugendlichen reflektierten, was die Auseinandersetzung mit dem Holocaust für ihre heutige Lebensrealität bedeutet“, ist Markus Rilli noch immer begeistert. „Dieser Song, der durch seine Tiefe und emotionale Intensität beeindruckt, wird noch lange nach der Freizeit in den Köpfen und Herzen der Teilnehmenden nachklingen.“
Band der Freundschaft, das lange halten soll
Trotz des ernsten Themas sei während der Woche auch Raum für unbeschwerte Begegnungen und den Austausch zwischen den Jugendlichen aus Deutschland und Polen gewesen. Eine Stadtrallye, ein gemeinsamer Besuch im Harz sowie zahlreiche Musik- und Tanzeinlagen sorgten für ausgelassene Stimmung und stärkten das Gemeinschaftsgefühl. „Zahlreiche Freundschaften entstanden und beim Abschied flossen Tränen – das Band, das in dieser Woche erneut geknüpft wurde, wird lange halten“, schätzt der Schulsozialarbeiter und Streetworker der Villa Lampe ein.
„Dieses Projekt zeigte einmal mehr, dass die Auseinandersetzung mit der Geschichte nicht nur eine intellektuelle, sondern auch eine zutiefst persönliche Erfahrung ist“, sagt er. Ihn hat bei allen tollen Momenten besonders eine Sache beeindruckt und berührt: „Die Jugendlichen setzten ein starkes Zeichen: Unabhängig davon, woher wir kommen, zählt vor allem, wie wir einander sehen – als Menschen. Jede noch so kleine Tat kann einen großen Unterschied machen, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart und für die Zukunft.“
Gefördert wurde das Projekt vom Deutsch-Polnischen Jugendwerk und „Wege der Erinnerung – Zachować Pamięć“.
TLZ - 12.10.2024 (Quelle: TLZ)