Debatte um Villa Lampe und harsche Worte im Kreistag
Es ist eine Anfrage der AfD-Fraktion im Eichsfelder Kreistag, die jetzt die Gemüter erhitzt. AfD-Fraktionschef Harry Heck zeigte sich am Ende der Sitzung etwas „verschnupft“, weil es im Januar in den Räumen der Villa Lampe ein „Jugendpolitisches Speeddating“ gegeben hat. Dabei waren die Jugendorganisationen von den, wie es Heck nannte, „sogenannten demokratischen“ Parteien mit Jugendlichen in den Dialog getreten. Was Heck dabei ärgert, sei der Umstand, dass die AfD und deren Jugendorganisation „Junge Alternative“ davon im Vorfeld ausgeschlossen wurden. Daraufhin stellte die Fraktion einen Fragenkatalog zur Zusammenarbeit des Landkreises Eichsfeld mit der Villa Lampe zusammen.
Unter anderem ging es darum, welche finanziellen Mittel der Landkreis seit zehn Jahren der Villa zur Verfügung stellt, um was für Projekte es sich handele, welche Vertragsfristen es gebe, warum das Jugendamt die Zusammenarbeit mit der Villa in Sachen Kinder- und Jugendschutzdienst gekündigt habe und mehr. Die Hauptfrage sei aber, wie der Landrat den Ausschluss der AfD bei der genannten Veranstaltung bewerte und ob der Landkreis vor dem Hintergrund einer Neutralitätspflicht der Villa die gesamte Zusammenarbeit überdenke.
Landrat Werner Henning (CDU) antwortete geduldig, verwies auf Protokolle von Ausschusssitzungen. Er lobte auch die Arbeit der Villa und wünschte sich weiter ein gutes Miteinander. Dass die AfD ausgeschlossen wurde, bedauere er. „Ich betone die Bedeutung einer inklusiven politischen Debatte und des Austausches aller relevanten politischen Kräfte, um ein breites Spektrum an Meinungen und Perspektiven zu berücksichtigen“, sagte Henning. „Der Ausschluss einer bestimmten politischen Gruppierung und ihrer Jugendorganisation könnte die Vielfalt der Diskussionen einschränken und potenziell den Eindruck einer einseitigen Veranstaltung vermitteln.“ Und er kündigte an, den Vorfall und eine weitere Zusammenarbeit zu überprüfen.
Beleidigungen im Kreistag über die Bänke hinweg
Das brachte Heinz Funke (SPD) in Rage. „Die Villa Lampe hat keine Neutralitätspflicht, sie ist ein freier Träger und hat ein Hausrecht. Sie kann selbst entscheiden, wen sie hereinlässt und wen nicht“, ereiferte er sich. Dafür musste er sich von Thorsten Heise (Die Heimat) direkt als „rot lackierten Faschisten“ bezeichnen lassen. Das nehme er gern hin, meinte Funke später abwinkend gegenüber unserer Zeitung. Aber er wendet sich direkt an den Landrat: „Es ist die freie Entscheidung der Veranstalter des Treffens, wen sie zu der Veranstaltung einladen und wen nicht. Das entzieht sich Ihrer Bewertung. Ein Urteil hierüber steht Ihnen nicht zu.“
Pater Franz Ulrich Otto, Geschäftsführer der Villa Lampe, die in der Trägerschaft der Salesianer steht, betont: „Wir haben keine Neutralitätspflicht.“ Grundsätzlich stehe er zu der Entscheidung, rechtsextremistische Umtriebe im Haus nicht zuzulassen. „Nicht von der AfD und erst recht nicht von deren als rechtsextremistisch eingestuften Jugendorganisation“, sagt er vehement. Das sei mit dem christlichen Menschenbild, das Grundlage der pädagogischen Arbeit im Haus sei, unvereinbar. „Wir sind ein wertegebundener Träger, haben keine Neutralitätspflicht“, wiederholt er. Man nehme sich das Recht heraus, selbst zu entscheiden, wer ins Haus kommt und wer nicht. „Das wird auch in Zukunft so sein, dass wir unsere Kinder und Jugendliche vor extremistischen Einflüssen so gut es geht schützen werden.“
Heinz Funke geht noch weiter. Er wirft Henning vor, dass diesem die Villa „seit langem ein Dorn im Auge sei“. „Es scheint Sie zu wurmen, dass Sie es während Ihrer Amtszeit nicht geschafft haben, die Villa Lampe mit ihren über 40 Mitarbeitern unter Ihre Fuchtel zu bekommen. So verwundert es nicht, dass Sie der Villa Lampe bei jeder sich bietenden Gelegenheit drohen und Knüppel zwischen die Beine werfen“, wendet sich Funke wütend an den Landrat. Zudem sei er nicht nur von Heise, sondern auch von einem Bürger in der Bürgerfragestunde attackiert worden, wogegen Henning als Versammlungsleiter nicht eingeschritten sei. „Nach der nächsten Wahl sollte sich der Kreistag mit der Frage beschäftigen, ob es nicht sinnvoll wäre, die Funktion des Landrates beziehungsweise der Landrätin von der Funktion des Versammlungsleiters zu trennen“, meint Funke.
Mark Arand von der Jungen Union war ebenfalls in der Sitzung. Er postete anschließend in einem sozialen Netzwerk mit der Betonung, dass er für sich und nicht für die ganze Junge Union spreche, dass es kein Problem gewesen wäre, die Junge Alternative einzuladen. „Ich (und ich denke auch der Rest der Jungen Union) hätte normal mit ihnen geredet und sachlich diskutiert.“ Das Problem sei seiner Meinung nach, dass „die Jusos dazu nicht in der Lage gewesen wären“.
Die Jusos fragen, wo die Brandmauer gegen Rechts ist
Die Jungen Sozialdemokraten (Jusos) befürworten weiterhin die Entscheidung, Rechtsextremisten nicht zum „Jugendpolitischen Speeddating“ einzubeziehen, da sich mit ihnen kein demokratischer Diskurs führen lasse, sagt Juso-Chef Kai Majer. „Die Entscheidung, welche Organisationen eingeladen werden sollen, hat die Villa Lampe dabei bewusst uns Jugendlichen überlassen“, stellt er klar. „Wir halten es für äußerst befremdlich, dass Landrat Werner Henning diese Entscheidung, die in letzter Instanz der Villa Lampe oblag, bedauert und auf dieser Grundlage die Zusammenarbeit mit der Villa als gemeinnützigen Träger infrage stellt. Eine Brandmauer gegen Rechts sieht anders aus.“ Die Junge Alternative ist seit April 2023 vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft worden, wogegen sie sich derzeit juristisch wehrt.
TLZ - 22.03.2024